DIE SAGE DER TEUFELSMAUER
Vor tausend und abertausend Jahren wettete der Teufel mit dem lieben Gott: „Alles Land, das ich in einer Nacht vorm ersten Hahnenschrei mit einer Mauer umbaue, soll mir gehören. Und mit dem Land all seine leckeren Seel‘chen.“, sprach Urian listig und rieb sich seine Hände. Gott lächelte weise und ob Ihr’s glaubt oder nicht, er ließ sich auf die Wette ein.
Dreimal fuhr der Teufel mit seinem Dreizack auf die Erde, die daraufhin tosend zu beben begann. Aus allen Himmelsrichtungen strömten plötzlich böse Geister, Trolle und Riesen heran und halfen beim Bau der Mauer.
Rasant wuchs sie in die Höhe und fast sah es so aus, dass das Böse über
den Himmel triumphieren würde.
Da kam ein altes Mägdelein aus Weddersleben nach Neinstedt gelaufen, um dort am andern Morgen ihre letzte Habe, einen Hahn zu verkaufen. Der Gockel war in einer Kiepe verstaut, die sie auf ihrem
Rücken trug. Schwer beladen passierte sie nun die Stelle an der der Teufel seine Mauer gerade fertig zu stellen versuchte.
Wie erschrak sie beim Anblick des Höllenfürsten im Mondlicht. Eisern verkniff sie sich jeden Laut und dennoch hielt der Teufel beim Mauerbau plötzlich inne. Was war das für ein liebliches
Lüftchen, das zu ihm durch die Nachtluft wehte? Roch er da etwa eine reine Seele? Und obschon nur noch ein großer Stein fehlte, um das Bollwerk zu vollenden, konnte er sich nicht darauf
konzentrieren. Dieser Geruch, lenkte ihn ab, verzückte ihn ach zu sehr. Der Alten aber stank der Ort zum Himmel, wie faule Eier und Schwefel. Langsam schlich sie zurück, doch da geschah das
Unglück: Sie stolperte, fiel lautschreiend aufs dicke Hinterteil, die Kiepe brach auf dem Boden entzwei und der Hahn kollerte Federn lassend heraus.
Gerade als der Teufel lüstern in sie hineinfahren wollte, schüttelte sich
das Federvieh, plusterte sich auf und krakelte empört sein „KIKERIKI – Fru‘-wat-tust-du-mit-mi“ in die Nacht.
Der Teufel erstarrte im Schreck und schrie: „Der erste Hahnenschrei! Gottverdammich – ich hab‘ die Wette verloren!“ Er nahm den letzten großen Felsbrocken und schmiss ihn wild grollend in seine
eigene Mauer.
Tausend Trümmern flogen durch die Luft. „Warum graut der Morgen nicht, wo
bleibt nur die Sonne?“, fragte sich der Beelzebub und bemerkte jetzt erst seinen Fehler. Ein winziger Hahn hatte den Allmächtigen zum Narren gehalten. Er war so sauer, Ihr hättet seine Hörner in
der Nacht lautstark klirren hören können. Zornig warf er einen Blitz auf den Gockel bevor er im Nirgendwo verschwand.
Was aus der Bäuerin wurde, fragt Ihr euch? Sie lebte glücklich und reich bis an ihr Lebensende, denn in dieser Nacht ward das Brathähnchen erfunden, als Broiler ein Verkaufsschlager auf allen
Märkten des frühen Mittelalters.
Und die Reste der gewaltigen Mauer? Die stehen noch bis zum heutigen Tage, unseren Augen und Herzen zum Wohlgefallen.
(aufgeschrieben von Carsten Kiehne)
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